Freitag, 19. Februar 2016

BWK_2001 ff


Schwarzer oder weißer Ritter? 

Die Elders-Jahre der BWK


Elders: Partner oder Heuschrecke?

 

Mit den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den 1990er Jahren kam es zu Veränderungen im Aktionärskreis der BWK. So trennte sich die Norddeutsche Affinerie, die heute unter Aurubis firmiert, von ihren Anteilen. An ihre Stelle trat eine bremische BWK-Beteiligungsgesellschaft, die 47 Prozent des Grundkapitals übernahm. Wichtig für die weitere Entwicklung war jedoch im Jahr 2000 der Einstieg des australischen Mischkonzerns Elders, der damals vor allem als Agrardienstleister für die australischen Schafzüchter und als Automobilzulieferer tätig war und für seinen Landwirtschaftsbereich zunächst 22,8 Prozent der BWK übernahm.



Geschäftsbericht 2002 der Elders-Mutter Futuris


Das Management der BWK begrüßte den Einstieg des australischen Großaktionärs, da man darin eine „strategische Stärkung“ der eigenen Position sah, denn Elders war damals mit 4,8 Mrd. DM Bilanzsumme eines der größten Unternehmen Australiens, das als Agrardienstleister intensive Geschäftsbeziehungen zu einem Großteil der knapp 50.000 australischen Schafzüchter besaß. So hatte Elders Zugriff auf ca. 65 % der weltweiten Rohwollproduktion, sodass sich der BWK-Vorstand eine Entlastung auf der Kostenseite versprach. Man hoffte also, wie auf der Hauptversammlung 2000 erklärte wurde, „billiger“ an die australische Wolle zu kommen.

Damit schien Elders aufgrund der Kontakte zu den Wollproduzenten eine ideale Ergänzung für das Geschäft der BWK zu sein, während die Bremer Aktienverkäufer nur Eigentümer geworden waren, um die feindliche Übernahme der BWK durch den französischen Konkurrenten Chargeurs zu verhindern.

Im März des folgenden Jahres wurde dann ein Beschluss der BWK-Hauptversammlung vom 9. August 2000 rechtskräftig. Danach erhöhte die BWK ihr Grundkapital um 4,6 Mio. € auf 24 Mio. € , indem die Australier ihre Kämmerei-Tochter Australian Topmaking Services Pty.(Austop) als Sacheinlage in die Bremer Woll-Kämmerei AG einbrachten, wodurch sich ihr Beteiligungsanteil auf 40,91 % erhöhte. Damit bestand das Grundkapital aus 9,222 Mio. Stückaktien mit dem rechnerischen Nennwert von je 2,60 Euro. Bei dieser Transaktionen hatte man eine BWK-Aktie mit 5 € bewertet.

Auf diese Weise war „der einzige größere vertikal integrierte Wollverarbeiter” entstanden, wobei Elders sogar durch den Verkauf seiner Kämmerei einen bilanziellen Profit realisieren konnte, wie im Geschäftsbericht von Elders vermerkt ist. (2001, S. 5) Im Zuge dieser Kapitalmaßnahme wurden auch die Handelsgesellschaften in Australien und Europa zusammengeführt, sodass sich die Verbindungen zwischen BWK und Elders so darstellten, wie sie die folgende Übersicht und die Tabellen zeigen. Danach lag also das Schwergewicht vom Buchwert her nicht mehr im industriellen Bereich, sondern im Wollhandel.




Die Verbindungen zwischen Elders Ltd und der BWK (Elders-Geschäftsbericht 2001)

Gesellschaft
Elders-Beteiligung in  %
Buchwert in Mio. AUD
Bremer Woll-Kämmerei
41
24,29
BWK Elders Australia
50
17,036
BWK Elders Europe
50
8,547


                                                                      Quelle: Futuris-Geschäftsbericht von 2000-11, S 59.


Durch den Einstieg von Elders und die anschließenden Einbringung der australischen Kämmerei gab es im August 2002 neben den Australiern mit ihren 41 % noch drei institutionelle Eigentümer, die mehr oder weniger ausgeprägt Bremer Interessen vertraten. Dazu zählten die Bremer Wolle Beteiligungsgesellschaft mbH mit 18,25 %, die zur Allianz zählte, die BdW Beteiligungsgesellschaft für die deutsche Wirtschaft mbH mit 14.7%, hinter der die Sparkasse Bremen stand, und die Securitas Bremer Allgemeine Versicherungs-AG mit 7.48%. Danach entfielen also knapp 20 % auf den Streubesitz, sodass Elders neben den größeren Aktienpaketen auch noch Aktien von Streubesitzaktionären benötigte, um auf 95 % zu kommen und damit die Gesellschaft von der Börsen nehmen zu können und ohne Rücksicht auf eine Minderheit schalten und walten zu können.

BWK-Kurse 2003 - 2007


                                            Quelle: aktiencheck.de


Die Bewertung der BWK hing in diesen Jahren von schwarzen Zahlen ab, die man im Wollhandel erzielte, aber auch von Belastungen durch hohe Restrukturierungskosten und operative Verluste bei den Kämmereien, die 2004 ein katastrophales Ergebnis einfuhren. So musste der BWK im Juli 2004 einen „Verlust in Höhe von annähernd 70% des Grundkapitals“ anzeigen, sodass ein Sanierungsprogramm erarbeitet werden musste.

Immerhin gelang es 2004 mit Hilfe des australischen Investors Elders, die drohende Insolvenz abzuwenden. Damals musste Mitte November eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden, um drastische Kapitalmaßnahmen zu beschließen. So wurden das Kapital im Verhältnis 2: 1 von 9,2 Mio. Aktien auf 4,6 Mio. Aktien und gleichzeitig der Nennbetrag der Aktien von 2,60 € auf 1 € reduziert. Dadurch sank das Grundkapital also insgesamt um 19,4 Mio. € auf nur noch 4,6 Mio. €.



           Außerordentliche Hauptversammlung 2004 (Quelle: Sir Charles (Förderverein))


Anschließend erfolgte dann eine Rekapitalisierung, indem das Grundkapital um mindestens 20,7 Mio. € auf bis zu 41,5 Mio. durch die Ausgabe neuer Aktien erhöht wurde. Dabei sollten die neuen Aktien zu einem Ausgabepreis von 1,00 € angeboten werden. Die Altaktionäre konnte dabei für eine alte Aktie acht neue beziehnen, was nach einem vorangegangenen Kapitalschnitt in der Regel nur wenige Altaktionäre tatsächlich machen. Bei dieser Maßnahme durfte der Großaktionär, der sich zum Kauf junger Aktien verpflichtet hatte, als Vergünstigung für 5 Mio. seiner neuen Aktien den 50%igen Geschäftsanteil an der BWK Elders Europe GmbH im Nominalwert von € 25.000,00 als Sachanlage einbringen. Auf diese Weise sollten sich die Banken durch Forderungsverzichte und der Großaktionär durch frisches Geld mit jeweils 16 Mio. an der Sanierung beteiligen.

Die Elders-Jahre  (Angaben in Mio. €)

Jahr
Umsatz
Operatives Ergebnis
Ergebnis nach Steuern
Eigenkapital
EpS
KGV
Mitarbeiter
Anteil von Eldersin %
Buchwert in der Elders-Bilanz
2000
266,4
8,1
1,3
43,8
0,14
16,5
627
-
-
2001
188,2
1,7
2,4
53,8
0,26
7
728
42
24,3
2002
127,9
4,4
2,2
54
0,24
5
576
42
24,2
2003
122,5
-24,6
-36,3
20,6
-3,93
-0,3
481
41
24,3
2004
100,9
-14,5
-22,9
0
-4,96
-0,2
421
41
0,0
2005
152,1
-1,4
-4,2
11,2
-0,28
-8,4
318
93
0,0
(Quelle: finanzen.net, Elders-Geschäftsberichte; Elders-Werte jeweils zum Ende des Geschäftsjahres am 30.6.)


Kleine Spekulanten und ein großer Gewinner


Die dramatische Situation und die eingebrochenen Kurse riefen in diesen Jahren spekulativ orientierte Aktienanleger auf den Plan. So löste beispielsweise ein Bericht im Pennystockreport am 17.März 2005 Käufe aus, als er bei den Aktien de BWK eine Chance auf 100% Kursgewinn sah. Als Grund für diese mögliche Kursverdoppelung führte der Autor nach der Restrukturierung des operativen Geschäfts und den Kapitalmaßnahmen eine krassen Unterbewertung durch den Markt. Dabei rechnete er vor, dass das  Unternehmen mit nur ca. 6 Mio. Euro an der Börse bewertet werde. Hingegen würden allein die Sachwerte und liquiden Mittel, die er auf insgesamt 23,9 Mio. € bezifferte, nach der Kapitalerhöhung einen Kurs von deutlich über 6 € rechtfertigen. Auch wies er auf eine mögliche Offerte an die freien Aktionäre zu einem Preis von ca. 3,50 € hin, den er bereits „in den nächsten Wochen“ für „vorstellbar“ hielt.

Damit begann bei den zerbombten Kursen eine riskante Spekulation auf ein hohes Übernahmeangebot durch Elders und einen wertvollen Immobilienschatz in Blumenthal, der allerdings von weiteren operativen Verlusten bedroht war.

Zunächst konnte man jedoch Zukäufe des Großaktionärs erwarten, damit er einen Anteil von 95% der Aktien erreichen, die BWK von der Börsen nehmen und anschließend problemlos verwerten konnte. Nur erhielten diese sicher scheinenden Vermutungen immer wieder kräftige Dämpfer, da die erworbenen BWK-Aktien in den Bilanzen von Elders immer mehrfach auf 0 AUD abgeschrieben wurden, sodass man nicht mit einer hohen Ausgleichszahlung rechnen konnte.

Und tatsächlich stockte Elders seinen Anteil in dieser Zeit deutlich auf, wie sich den später erschienenen Geschäftsberichten entnehmen lässt. So erreichte der Anteil bis jeweils zum Ende des Geschäftsjahres, das jeweils der 30. Juni war, 93 % im Jahr 2005 und 2006 dann die magische Quote von 95 %, die einen Squeeze out und damit ein Delisting von der Börse erlaubt.

Strukturwandel der BWK in den Elders-Jahren


Segment
1999
2005
Entwicklung in %
Anteil 1999 in %
Anteil 2005 in %
Umsätzeinsgesamt
531,3
152,1
-71,4
100,0
100,0
BWK AG
289,4
27,5
-90,5
54,5
18,1
Austr. Kämmereien
13,8
-
-100,0
2,6
-
Kämmereien insgesamt
303,2
27,5

57,1
18,1
BWK AusralAsia
122,7


23,1

J.S. Brooksbank
75,1
-
-100,0
14,1

Neues Wollkontor
30,3


5,7

Weltweiter Wollhandel
228,1
120,3
-47,2
42,9
79,1
Weitere Geschäfte
-
4,3

-
2,8








Für Elders haben sich der Einstieg bei der BWK, der rasch folgende Erwerb einer HV-Mehrheit und schließlich die Alleineigentümerschaft trotz der schwierigen Wettbewerbsfähigkeit der Kämmerei in Blumenthal gelohnt; denn das Unternehmen hatte auch werthaltige Vermögenspositionen in dem großen Blumenthaler Betriebsgrundstück und den weiterhin rentablen Wollhandelsgesellschaften.

Wie aber bei allen Transaktionen liegt der Gewinn nicht zuletzt in günstigen Kaufkursen. Hier scheint im Jahre 2000 nach einer Serie von Verlustjahren und ohne überzeugendes Zukunftskonzept dem Vorstand und den damaligen Großaktionären Elders wie ein ersehnter Retter erschienen zu sein, dem sie erst den Einstieg ermöglichten und dann beim Aufstieg zum Großaktionär entgegenkamen.

Dabei dürfte im geschäftlich relativ guten Jahr 2000 der Ausblick auf das kommende Jahr einen preiswerten Einstieg ermöglicht haben, da in diesem Jahr der Kurs geradezu abstürzte und nicht einmal der neue Aktionär aus Australien für Fantasie und auch nur eine kurze Erholung sorgen konnte.

Anschließend gewährten bei der auf der Hauptversammlung im August die alten Großaktionäre den Australiern Sonderkonditionen bei der der Kapitalerhöhung; denn sie konnte die jungen Aktien, deren Ausgabepreis mit 5 € deutlich über dem Börsenkurs von 3,60 € lag, durch eine Sacheinlage bezahlen. So brachten sie ihre Kämmerei Australian Topmaking Services Pty.(Austop) in die BWK ein. Wegen dieses hohen Ausgabepreises war die Kapitalmaßnahme für die anderen Aktionäre völlig uninteressant, da sie die gleichwertigen alten Aktien an der Börse preiswerter kaufen konnten. Auf diese Weise konnte Elders nach seinem Einstige im April rasch zu dominierenden Großaktionär der Wollkämmerei werden, da die erreichte Beteiligung von 40,91 % in der Regel die Mehrheit des Kapitals bedeuten, das auf einer Hauptversammlung vertreten ist.


Das führte in den Tippdiensten, die Kleinaktionäre auf besondere Chancen am Aktienmarkt aufmerksam machen, zu mehreren Kaufempfehlungen für BWK-Aktien. Neben dieser Übernahmefantasie wurde dabei vor allem auf den hohen Buchwert der Aktie hingewiesen. So musste man damals an der Börse für das in der Bilanz verbuchte Eigenkapital der Gesellschaft nur knapp die Hälfte zahlen, was die Aktien zu einem wahren Schnäppchen zu machen schien, da ein Käufer für den Gegenwert von 1 € Beteiligung an den Grundstücken, Gebäuden, Maschinen und gelagerten Rohstoffen und Fertigwaren nicht einmal 50 Cent zahlen musste.

Empfehlungen für die BWK kamen sogar von Öko Invest, einem Anlegerbrief, der sich, wie der Name anzeigt, vor allem mit grünen und nachhaltigen Investments beschäftigt, wozu die BWK vermutlich wegen der Verarbeitung eines Naturprodukts und ihrer prämierten Waschwasserklärung gezählt wurde.

In der Realität konnte man mit entsprechenden Aktienkäufen allerdings bestenfalls nur ganz kurzfristig Gewinne machen, da die Aktie in dieser Zeit tendenziell permanent fiel, was die dramatische Situation im Jahr 2004 anscheinend bereits antizipierte.

Für ähnliche Sonderkonditionen konnten Elders 2004 sorgen, als die BWK den Verlust von 70 % des Grundkapitals melden musste. Die Sanierung erfolgte durch einen Kapitalschnitt und eine anschließende Kapitalerhöhung, die wiederum nach Konditionen erfolgte, die Elders einen deutliche Erhöhung der Beteiligungsquote sicherten. So wurde zwischen dem Großaktionär und den Banken ein Paket ausgehandelt, dass einen Forderungsverzicht der Kreditgeber und einen gleich hohen Beitrag von 16 Mio. € vorsah, den der Großaktionär Elders als frisches Kapital einbringen musste. Diese Transaktion erfolgte über eine Kapitalerhöhung im Verhältnis 1:8, wobei die jungen Aktien zu 1 € ausgegeben wurde. Auch dieser Preis lag wieder deutlich über dem Börsenkurs des Sanierungsfalls BWK, sodass die anderen Aktionäre von einer unattraktiven Zeichnung abgehalten wurden und Elders erreicht 92,3 % der Aktien.


     Folie zur Rede des Vorstandsvorsitzenden auf der a.o. HV 2004 (Quelle: archivierte BWK-Webseiten)

Dieses Interesse an der Sanierung und die deutlich Erhöhung der Beteiligungsquote wiesen auf ein starkes Interesse an einer vollständigen Übernahme der Gesellschaft durch den Großaktionär hin, die nach dem deutschen Aktienrecht möglich ist, wenn ein Aktionär mindestens 95 % der Aktien erworben hat.

Diese Aussicht führte in den folgenden Jahren bei dem auf nicht einmal auf 8 % des Grundkapital begrenzten Angebot zu steigenden Kursen, zu denen auch, wie sich später zeigte, nicht zuletzt Aufkäufe durch Elders beigetragen haben.

             
Börsentod und Anlagenverschiffung



Nach der Brewa erfolgte Anfang 2006 mit der Chemiefaser-Abteilung die Ausgründung eines weiteren Bereichs der Blumenthaler Kämmerei, der von dem Niedergang der europäischen Wollverarbeitung nicht betroffen war.

Auch musste man für 2005 von einer „Stilllegung des türkischen Betriebes“ 
sowie wegen der starken asiatischen Wettbewerber von „unauskömmlichen Kammlöhnen“ berichten, was sich auch in der Umsatzstruktur der Jahre 2004 und 2005 niederschlagen hatte.

BWK war danach kaum noch eine Kämmerei, sondern vor allem ein Wollhändler geworden.

Umsätze des BWK-Konzerns 2004 und 2005 in Mio. €

Bereich
2004
2005
Europäische Kämmereien
40,4
27,5
Australische Kämmereien
9,0
-
Weltweiter Wollhandel
50,5
120,3
Weitere Geschäfte
1,1
4,3
Umsatz insgesamt
100,9
152,1


Am 7. März 2006 hatte schließlich das Warten der Spekulanten auf einen für sie lukrativen Börsenabschied ein Ende; denn an diesem Tag erhielt der Vorstand in Blumenthal die Mitteilung, dass der Großaktionär einen Anteil von mehr als 95 % der Aktien mit „nunmehr 95,01%“ erreicht hatte. Daher wurde der Vorstand vom Großaktionär „mit der Einleitung des Squeeze Out-Verfahrens gemäß § 327a AktG beauftragt“. Damit ist die finanzielle Abfindung der Minderheitsaktionäre für ihre Aktien gemeint, die wegen dieses Zwangscharakters im Englischen als „Ausquetschung“ bezeichnet wird.

Innerhalb dieses juristischen Rituals teilte am 13. Juni 2006 die Elders Global Wool Holding Pty Ltd als Hauptaktionärin des BWK dem Vorstand der BWK mit, „dass sie die Barabfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Bremer Woll-Kämmerei AG (sog. Squeeze Out) auf EUR 2,55 je auf den Inhaber lautender Stückaktie der Bremer Woll-Kämmerei AG festgelegt hat“.

Zur Höhe wurde berichtet, „dass dieser Festlegung der Barabfindung der höchste von der Elders Global Wool Holding Pty Ltd in den letzten Jahren gezahlte Kaufpreis je Aktie zu Grunde liegt, während der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs der Aktie der Bremer Woll-Kämmerei AG der letzten drei Monate vor Bekanntgabe des Squeeze-Out-Verfahrens durch die Ad hoc-Mitteilung der Bremer Woll-Kämmerei AG vom 7. März 2006 nur bei 2,48 €  und  somit rund 3 % unter der festgelegten Barabfindung gelegen habe.

Auch der Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahren liege mit 1,41 € je Aktien niedriger als die angebotenen 2,55 €.  Die festgelegte Barabfindung von 2,55 € liege somit um 81 % über dem Unternehmenswert.

Gleichzeit wurde den Aktionäre mit dem 15. und 16. August der Termin der ordentlichen HV als Zeitpunkt genannt, an dem über „den Squeeze Out zu diesen Bedingungen Beschluss gefasst“ werden sollte.

Von der 118. und zugleich letzte öffentlichen Hauptversammlung der Bremer Woll-Kämmerei AG konnte dann der Weser-Kurier berichten, dass der Vorstandvorsitzende von einem  historischen Tag" für die Bremer Woll-Kämmerei gesprochen habe. Zu dieser Feststellung dürfte es kaum Dissens gegeben haben, wohl aber zum Abfindungsangebot des Großaktionärs, dessen Angemessenheit von einigen Kleinaktionäre angezweifelt wurde.

Aktiengesellschaften verlieren ihre Börsenexistenz jedoch nicht zwangsläufig mit einem Mehrheitsbeschluss eines Aktionärs, der Abstimmungsergebnisse von mehr als 95 % für ein Delistung auf einer Hauptversammlung erzielt. Es müssen auf der HV auch alle Regularien erfüllt sein, worüber Aktionäre ein Gericht entscheiden lassen können. So war es auch bei der BWK.

So musste die BWK noch einen Nachschlag zum Abfindungspreis gewähren, der aber für die Kleinaktionäre kaum zum Kauf wertvoller Weihnachtsgeschenke gereicht haben dürfte, da es sich um wirkliche Pea nuts handelte, wenn man einmal dieses Wort aus der Bankersprache benutzen will. So musste sich nach einer Ad-hoc-Meldung vom 19.12.2006 aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 14. Dezember 2006 der Hauptaktionär der BWK verpflichten verpflichtet, jedem Aktionär der Bremer Woll-Kämmerei AG, der aufgrund des Squeeze-Out-Beschlusses vom 15.August 06 aus der Gesellschaft ausscheidet, für jede Stückaktie zusätzlich zu der bestimmten Barabfindung in Höhe von 2,55 Euro einen weiteren Betrag von 0,03 Euro zu zahlen.

Das schien für eine Rechnung mit einem wirklich spitzen Bleistift zu sprechen, sodass auch kaum jemand in diesem Fall noch eine Nachbesserung in einem Spruchstellverfahren erwartet, was sonst häufig der Fall ist.

Anschließend konnte der Übertragungsbeschluss am 16. März 2007 in das Handelsregister beim Amtsgericht Bremen eingetragen werden. Damit waren kraft Gesetzes alle Aktien der Minderheitsaktionäre der BWK in das Eigentum der Hauptaktionärin übergegangen, sodass es mangels Masse keinen Börsenhandel mehr geben konnte. 

Die offizielle Einstellung der Börsennotierung folgte dann am 19 März 2007. 

Im Geschäftsbericht 2006, der am 30 März 2007 unterschrieben wurde, heißt es zu diesem Ende einer über 100jährigen börsennotierten Aktiengesellschaft, die über lange Zeit die größte global aufgestellte Wollkämmerei gewesen war: „Im Geschäftsjahr 2006 wurden die in den Vorjahren eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen in Bremen konsequent weiterverfolgt und weitere Maßnahmen zur strategischen Neuausrichtung des Konzerns in die Wege geleitet. Hierzu gehörten die Integration und der Ausbau der in 2005 erworbenen Handelsgeschäfte, die Verlagerung der Ausrüstung und der Wollwachsgewinnung in Bremen sowie der Aufbau der Kämmerei in China.“

Dadurch war die BWK zu einer hundertprozentige Tochter von Elders geworden, die am 1. Dezember 2008 die Einstellung der Produktion in Blumenthal beschlossen. Am 3. Dezember 2008 informierte der BWK-Vorstand seine Woll-Kunden über die Schließung des Produktionsstandorts „Wolle“ in Blumenthal. Die Umsetzung erfolgte dann in den kommenden Monaten: Schon am 27. Februar 2009 wurde der letzte „Bump“ gepresst und am 28. September 2009 verließ der letzte gefertigte Woll-Ballen aus der „Filzfrei-Ausrüstung“ Blumenthal. Sämtliche Maschinen wurden anschließend verkauft und abgebaut. „Die Demontage der ,High-Tech-Produktionsanlagen’ und Verlagerung nach China ,weg von Blumenthal’ nahm im März 2009 ihren Anfang“, schrieb dazu
der Weser-Kurier. (Scheil)

Elders wollte jedoch nicht nur die vollständige Übernahme des BKW-Konzern und die Schließung der Kämmerei in Blumenthal, sondern die Liquidation des Unternehmens. Die entsprechende Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgte am 10 August 2010. Die BWK hatte dadurch auch als juristische Person ihr Leben beendet.


Damit kann man auch Bilanz ziehen und sich fragen, ob es durch das Ende der BWK nur Verlierer oder auch Gewinner gegeben hat und, was weitaus schwieriger zu beantworten ist, ob und wie ein Überleben der BWK möglich gewesen wäre.
Beschränkt man sich auf die kritischen Jahre seit dem Einstieg von Elders lassen sich die finanziellen Auswirkungen der Transaktionen für diesen australischen Konzern relativ gut berechnen. Nimmt man den Betrag, den das Übertragungsgutachten und die anschließende kleine Korrektur ermittelt hat, betrug der Wert des Unternehmens zu damaligen Zeitpunkt 67,5 Mio. €. In anderen Fällen wurde diese später in noch um 10% bis 20% nach oben korrigiert. Zumindest kann man unterstellen, dass der Betrag aus der Sicht des Großaktionärs, der den besten Einblick in das Geschäft besessen hat, nicht zu hoch war, denn sonst hätte er zumindest den Squeeze-Out nicht betrieben und die letzten 5 % der Grundkapital für 2,58 € bzw. 3,3 Mio. € bezahlt.

So hat Elders nach dem Einstieg in bar noch 16 Mio. € bei der Kapitalerhöhung 2004 und knapp 1,5 Mio. für Aktienkäufe gezahlt, um die Schwelle von 95 % zu erreichen. Hinzu kommen die eingebrachten Sachwerte, so 2001 die australische Kämmerei und dann 2004 die Elders-Hälfte der zuvor gemeinsam gehaltene Handelsgesellschaft für Europa. Gleichzeitig verkaufte die BWK an Elders das australischen Handelsgesellschaft, wobei diese Transaktion als Naturalgeschäft abgewickelt wurde, denn die BWK erhielt als Gegenleistung alte Maschinen im Wert von 5 Mio. €, was die Kleinaktionäre auf der ao. Hauptversammlung im November 2004 heftig kritisierten. So sprachen sie dabei von einem „Gipfel der Zumutung", sodass ein Bericht zu dieser Aktionärsversammlung mit der Frage „Geht die Sanierung zu Lasten der Kleinaktionäre?“ überschrieben wurde.


Dabei ist der Wert dieser Sachleistungen, wenn man die weitere Entwicklung der Kämmereiindustrie betrachtet, nicht hoch zu bewerten, denn die australischen Kämmerei wurden wegen ihrer Verluste bereits drei Jahre später im Sommer 2004 geschlossen und die gebrauchten Maschinen konnten bestenfalls in China verwendet werden. Dabei dürften die Preise für gebrauchtes Kämmereiinventar allerdings am Boden gelegen haben, da in dieser Zeit zahlreiche Kämmereien in Australien und Europa ihre Produktion einstellten.

Die BWK AG, die 2006 in einem Gutachten mit 67, 5 Mio. € bewertet wurde, scheint Elders damals für eher wertvoller gehalten zu haben, denn es hat einen Squeeze-out zu diesem Preis umgehend durchgeführt. Unter diesen Voraussetzungen dürfte sich das Geschäft für Elders auch gelohnt haben, denn die australischen Investoren dürften für die BWK seit 2000 nur etwa über 40 Mio. € an Barmitteln ausgegeben haben, wenn man von einem Einstiegskurs von ca. 4 € ausgeht.

Auch wenn man für die Sachleistungen noch einige Euros rechnet, dürfte man damit trotz aller Turbulenzen zwischendurch in knapp sechs Jahren eine Gesamtrendite von 50% erzielt haben. Das dürfte angesichts der großen Kämmereikrise in jenen Jahren nicht gerade selbstverständlich sein. 

Im Vergleich mit den anderen großen Aktiengesellschaften der deutschen Textilindustrie wird deutlich, dass die BWK erheblich länger durchgehalten hat als ihre unmittelbaren Wettbewerber unter den Kämmereien. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die BWK nicht einmal das Ende der Augsburger Kammgarnspinnerei im Jahr 2002, also eines Hauptabnehmers, als ein Menetekel gesehen hat; denn damit musste klar sein, welche Qualität ein Wäscherei- und Kämmereistandort in Blumenthal haben musst. Im Hinblick auf den Hauptwarenstrom hätte man die Rohwolle von Australien per Schiff nach Bremen transportieren müssen, dort bei hohen Löhnen und schwierigen Umweltverhältnissen waschen und kämmen können, um sie dann nach China zu transportieren, um sie dort zu spinnen, zu weben und zu nähen. Das sieht aus heutiger Sicht wie ein ökonomischer Schildbürgerstreich aus, wenn man es vom Transport der Wolle nach China vergleicht, wo sie zusammen mit der von den dortigen Schafen geschoren Wolle, die inzwischen nach Australien von der Anzahl her die zweite Position in der Welt erreicht haben, weiterzuverarbeiten.


Die Beschwerden einer Heuschrecke


Der BWK-Coup hat der übernehmenden Elders Ltd. aus dem südaustralischen Adelaide zwar einen Gewinn, aber anscheinend kein Glück gebracht. Diese Gesellschaft ist preiswert an die Handelsaktivitäten und die Blumenthaler Grundstücke der BWK gelangt, sodass der Einsteig und die Übernahme für sie erfolgreiche Finanztransaktion waren. Im Nachhinein hat sich dabei das Unternehmen, in dem man zunächst wegen seiner Größe und seinem Zugang zu den australischen Schafzüchtern in Blumenthal einen Retter für die kränkelnde BWK gesehen hatte, als Totengräber erwiesen. Kritiker werden daher in der Verhaltensweise von Elders die eines typischen Raiders oder einer „Heuschrecke“ erkennen, die nachdem sie ein Unternehmen erbeutet und verwertet hat, zum nächsten weiterzieht.

Bilanzdaten von Elders 1993 - 2012

Jahr
Umsatz
in Mio. AUD
EBIT im Segment “Rural Services” in Mio. AUD
Gewinn je Aktie
 in c
1993
288,0
-
6,5
1994
327,5
-
8,6
1995
380,8
-
12,7
1996
400,9
-
15,9
1997
2.977,3
39,3
13,8
1998
3.412,7
46,2
23,1
1999
4.291,3
72,6
13,0
2000
5.073,4
86,7
12,9
2001
5.807,0
101,0
13,2
2002
7.167,9
47,3
10,2
2003
2.464,3
152,3
16,2
2004
2.707,3
19,0
3,6
2005
2.464,3
26,8
8,9
2006
3.176,8
65,8
13,1
2007
3.090,8
56,3
14,5
2008
3.312,1 
20,9
4,82
2009
2.321,2
-221,4
-51,5
Sep. 2010
2.069,1
13,7
-51,1
Sep. 2011
2.263,1
4,2
-88,1
Sep. 2012
2.157,9
18,7
-13,5


Diese Beute hat für Elders allerdings nicht als Glücksfall erwiesen, denn die Holdingsmanager der Elders-Mutter Futuris wurden durch diesen Erfolg bei der Wahl ihrer nicht gerade vorsichtig. Wie die Gewinnzahlen des Agrarsegments zeigen, hat sich die BWK-Beteilung in der Bilanz zumindest nicht negativ ausgewirkt. Das wurde dann ab dem Geschäftsjahr 2008-9 anders, als man sich an einer Beteilung in der Forstwirtschaft verhoben hat. Dadurch wurde die Holding tief in die roten Zahlen getrieben, sodass sich ihre heutige Situation mit der Schieflage der BWK von 2004 vergleichen lässt.



Anhang:

Bilanzdaten für die BWK-Gruppe 2001 - 2010

Jahr
Umsatz
in Mio. €
Jahresüber- schuss in Mio. €
Zahl der
Mitarbeiter
Wichtige Geschäftsvorfälle
2001
188,2
2,4
728
Übernahme der Kämmerei AusTop als Sacheinlage von Elders
2002
127,9
2,2
576
Durch Ausscheiden von Wettbewerbern Erhöhung des Marktanteils, Umsatzrückgang durch Ausgliederung des europäischen Wollhandels der BWK Elders Europe
2003
122,5
-36,3
481
Weltweiter Nachfragerückgang, Schließung der Kämmerei in Geelong, Produktionsbeginn einer Kämmerei in der Türkei, Aufstockung der Brewa-Beteiligung, Gründung der HKW
2004
100,9
-22,9
421
Verlust von 70% des Grundkapitals, Kapitalherabsetzung und anschließende Kapitalerhöhung, an der sich vor allem Elders beteiligt
2005
152,1
-7,1
318
Vollkonsolidierung der europäischen Wollhandelsgesellschaft BWK EE, Joint-Venture in China, Gründung der BWK Chemiefaser GmbH, Verkauf von J.S. Brooksbank, zeitweilige Stilllegung der türkischen Kämmerei
2006
106,7
-1,2
250
Elders-Beteiligung überschreitet 95%, HV beschließt Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf Elders (Squeeze out)
2007 (1)
62,1
0,3
252
Squeeze out wird ins Handelsregister eingetragen, revidierte Barabfindung von 2,58 €, letzte Notierung am 19.3.2007 mit 2,75 €
2007-8
108,3
-12,6
260
Extrem volatile Rohwollpreise, Kunden problematisieren Tierschutz bei der Merino-Haltung
2008-9
7,3
-27,9
34
Einstellung der Wollkammzugproduktion in Blumenthal am 27. Februar 2009 und der Filzfreiausrüstung am 31. August 2009
2009-10
0,4
-5,2
2
Abwicklung und Verkauf der Unternehmenswerte




Liquidation der Gesellschaft am 10.8.2010
(1): Rumpfgeschäftsjahr vom 1.1. bis 30.6. 2007
Quellen: Geschäftsberichte der Gesellschaft



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