Freitag, 18. März 2016

BWK: Ausstellung 1

Der Förderverein Kämmereimuseum bemüht sich um ein neues Image für Blumenthal



Ein Rückblick auf die Veranstaltungsreihe zur BWK in der NS-Zeit 


(Vorläufige Fassung, da noch Informationsanfragen ausstehen)


                                Titelseite der ersten Sonderausgabe der Einblicke



Zwischen dem 5. und 30. August 2014 veranstaltete der Förderverein Kämmereimuseum in der alten Blumenthaler Stadtbibliothek eine Fotoausstellung und eine Vortragsreihe zum Thema "Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus". Beides war nicht zuletzt in dieser thematischen Kombination etwas ganz Neues für den Stadtteil. 

Dieser innovative Charakter macht auf die Details und nicht zuletzt die Resonanz neugierig. Daher soll im Folgenden eine nähere Betrachtung und Bewertung versucht werden, wobei nicht zuletzt auch an weitere Impulse für die Entwicklung Blumenthals zu denken ist, wenn der Förderverein bessere Rahmenbedingungen für seine vielfältigen Aktivitäten erhält.



Das Gesamtkonzept der Veranstaltung


Die Veranstaltungsreihe "Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus" lässt sich nicht ohne Weiteres in eine Schublade packen, sodass man sie leicht zuordnen kann hat. Das ist eine Folge ihrer Zielsetzungen und einer politischen Diskussion im Stadtteil Blumenthal.

Relativ einfach lassen sich die Möglichkeiten des Veranstalters, also des Fördervereins Kämmereimuseum unter seinem Vorsitzenden Detlef Gorn beschreiben, der sein Amt nicht nur administrativ versteht, sondern gerade bei dieser Veranstaltung zugleich wichtigster Initiator, Organisator und  Motivator war. 

Auch wenn ihm ein Team von Vereinsmitgliedern zur Seite stand, begrenzten die vorhandenen Ressourcen die Gestaltungsmöglichkeiten. Das gilt vor allem dann, wenn man sie an dem fotografischen Fundus misst, auf den der Verein zurückgreifen kann. Hierzu gehören einerseits die zahlreichen Privatfotos, die dem Verein vor allem von ehemaligen Mitarbeitern der BWK und ihren Angehörigen angeboten werden. Andererseits handelt es sich um das professionelle Material, das ein Werksfotograf der Wollkämmerei sowie eine sehr aktive Fotogruppe aufgenommen haben.

Dieses Material liegt gerade auch für die zwölf Jahre der NS-Herrschaft in Blumenthal vor.

Aber das allein war noch kein Grund, gerade über diese Zeit jetzt eine Veranstaltung in einer ganz besonderen Form zu organisieren. Hierzu muss man auch ein Detail der jüngeren politischen Diskussion vor allem im Blumenthaler Beirat und im Ortsamt kennen. Dort hatte die Mehrheit besondere Feierlichkeiten beschlossen, um den 75. Jahrestag des Anschlusses Blumenthals an Bremen zu begehen. Dazu wollte man von Bremen eine finanzielle Zuwendung erhalten, um die Veranstaltungen professionell zu organisieren und die Infrastruktur auf der Bahrsplate auszubauen.

Dieses Vorhaben stieß vor allem außerhalb von Blumenthal auf heftige Kritik. So wurde dem Beirat eine Entscheidung ohne menschliches Einfühlungsvermögen und historische Urteilskraft vorgeworfen, da während der NS-Zeit auf der Bahrsplate ein KZ bestanden hat. Auch stellten Kritiker die Frage, ob man eine Entscheidung, die ohne demokratische Legitimation durch eine Unterschrift Hitlers aufgrund des Ermächtigungsgesetzes erfolgte, Anlass für ein Volksfest sein sollte.



                            Artikel in "Bild" zur Entscheidung des Blumenthaler Beirats


Daher wollte der Förderverein jetzt zeigen, dass Blumenthal entgegen einigen Presseberichten vom Anfang des vorigen Jahres, die Überlegungen zum 75. Jubiläum des Anschlusses an Bremen aufgegriffen haben, seiner NS-Vergangenheit keineswegs naiv und unkritisch gegenübersteht.   

Als Veranstaltungsraum konnte der Förderverein für den August die alte Blumenthaler Bibliothek nutzen, in der heute zwei Künstler arbeiten. Damit ließ sich an eine Tradition anknüpfen, als hier bekannte Autoren wie Marion Gräfin DönhoffManfred HausmannGolo MannCarlo Schmid und Helmut Thielicke ein aufmerksames Publikum mit ihren damals heiß diskutierten Themen vertraut machten.

Mehr als drei Jahrzehnte später bestand hier jetzt die Möglichkeit, sowohl die Fotos auszustellen als auch in acht Vorträgen die zwölf Jahre der NS-Herrschaft aufzuarbeiten. Diese Vorträge behandelten sowohl die Blumenthaler NS-Relikte wie die NS-Lager, den Bunker Valentin, das Wifo-Tanklager und die Stolpersteine als auch speziell die Situation der polnischen Zwangsarbeiter bei der BWK, über die Prof. Schminck-Gustavus referierte.

Diese Chance ergab sich, da Ulla Deetz und Peter KF Krueger während der Urlaubszeit im August ihr großräumiges Arbeitsatelier zur freien Verfügung gestellt haben. Der Förderverein konnte hier also unmittelbar neben dem Rathaus und dem Marktplatz Mieter und Gast der beiden Künstler sein.

Eine Veranstaltung dieser Art erfordert jedoch neben dem Konzept nicht nur Fotos, Räumlichkeiten und Referenten. Sie muss auch potenziellen Besuchern bekannt gemacht werden. Dazu dienten neben den guten Beziehungen, die der Förderverein und sein Vorsitzender zur lokalen Presse besitzen, auch das vereinsinterne Mitteilungsmagazin "Einblicke".

Eine erste Sonderausgabe wurde per Mail an über 150 Vereinsmitglieder, Journalisten und Zeitungen sowie Freunde des Fördervereins verschickt. Darin findet man neben dem Programm einen kurzen Abschnitt aus dem Blogartikel "Die Bremer Woll-Kämmerei während der NS-Zeit. Zwölf Jahre aus der Sicht der Geschäftsberichte und der Wirtschaftspresse" einschließlich der Chronologie. Den Abschluss bildet die Eröffnungsrede des Vereinsvorsitzenden, sodass sich hier jeder informieren kann, der am Nachmittag der Eröffnung verhindert war.

Eine zweite Sonderausgabe vom 25.8. erinnerte schließlich an die letzten vier Vortragstermine, indem die Themen kurz vorgestellt wurden. Eine weitere herzliche Einladung fehlte selbstverständlich ebenfalls nicht.

Ein besonderes Gewicht erhielt die Veranstaltung durch eine Beteiligung des Bremer Bürgermeisters und Kultursenators Jens Böhrnsen, der die Schirmherrschaft übernahm. Damit demonstrierte er erneut sein Interesse am Schicksal der BWK und der Arbeit des Fördervereins, wie er es bereits vor gut einem Jahr gezeigt hat. Damals richtete er am 13. April anlässl
ich des 130. Gründungstages der BWK Grußworte an die geladenen Ehrengäste.


Die Eröffnung am 5. August 2014


Damit sind die Rahmenbedingungen und Vorüberlegungen skizziert. Es fehlte nur noch das Wichtigste: die Umsetzung durch das Team des Fördervereins und dann die Freigabe für die Öffentlichkeit.


Am 5. August, einem Dienstag, begrüßte Detlef Gorn als Vorsitzender des Fördervereins Kämmereimuseum im Anschluss an einen Eröffnungsempfang um 13.30 die Gäste, wobei er Christian Weber, den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, besonders ansprach.

In seiner Rede konfrontierte er die aktuelle Präsens der Weltkriege und des NS-Staates in den Medien mit einem gleichzeitig ermittelten geringen Wissen über wichtige Ereignisse der NS-Zeit. So hatte gerade der Weser-Kurier berichtet, dass n
ach einer jüngst veröffentlichen Umfrage nicht einmal die Hälfte der Deutschen weiß, was am 20. Juli 1944 geschah.

Damit war die Bedeutung der Themen der Vortragsreihe angesprochen, die er skizzierte, wobei er auch die Referenten kurz vorstellte.

In einem zweien Teil seines Vortrages erläuterte Detlef Gorn das Programm, dass die Besucher am Eröffnungstag im Anschluss an die Begrüßungen erwartete. Dabei ging er auf das umfangreiche Bild- und Filmmaterial der BWK ein, das für ihn "etwas ganz Einmaliges, etwas ganz historisch Wertvolles in Blumenthal" ist, weil sich hierin ein Industrieunternehmen von Weltrang in der NS-Zeit quasi selbst dokumentiert hat. 

Zu dieser Selbstdokumentation zählte der Vereinsvorsitzende einen einstündigen Film von 1937, in dem der damals junge Kreisfilmberichterstatter der NSDAP, Jonny Seubert, mit der BWK das größte Unternehmen seiner Heimatstadt Blumenthal in Schwarz-weiß-Bildern festgehalten hat. Sein Stil wurde von Radio Bremen mit dem von Leni Riefenstahl verglichen, wobei vermutlich an die idealisierte Darstellung von Kraft, Eleganz und Macht anhand muskulöser Körper oder mobiler Menschenmassen zu denken ist.

Eine Kopie dieses BWK-Films hat der Förderverein mit aktuellen Bildaufnahmen, die den heutigen Blumenthalern eine leichtere Orientierung und Zuordnung der Gebäude und Straßen ermöglichen, und mit Zeitzeugenaussagen hinterlegt.


Aber auch der Kern der Veranstaltung, die Fotoausstellung, wurde, in der Eröffnungsrede nicht vergessen. Wie Detlef Gorn erklärte, wurden aus dem
umfangreichen Fundus des Fördervereins für die Ausstellung etwa 150 Fotos ausgewählt und nach 5 Themenschwerpunkte geordnet. 


Da diese Bilder für den Vorsitzenden des Fördervereins "selbstsprechend sind", bedurften sie seiner Meinung nach keiner weiteren Erläuterung. Die erstmals einer breiten Öffentlichkeit gezeigten historischen Bilder sollten daher ohne spezielle Anmerkungen oder Untertitelungen den Besuchern zeigen, "wie ein riesiges Industrieunternehmen von der NS-Ideologie vereinnahmt und missbraucht wurde."

Durch die Ausstellung sollte jedoch nicht nur der "der heutigen und der zukünftigen Generation" gezeigt werden, "was in Bremen-Nord passiert ist". Der Förderverein hat sich von der Präsentation des Materials auch versprochen, dass noch lebende Zeitzeugen ihre Erinnerungen mitteilen, sodass sie die bereits bestehende Sammlung an Augenzeugenberichten ergänzen.


                               Publikum während der Eröffnung (Quelle: Förderverein)

 

Abschließend folgten in diesem Eröffnungsteil die Begrüßungen durch Peter Nowack, den Blumenhaler Ortsamtsleiter und Vorsitzenden des Sponsors "Förderverein Bürgerstiftung Blumenthal", sowie durch Christian Weber, den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft.


                         Die erste Publikumsreihe während der Eröffnung (Quelle: Förderverein)


In medias res ging es dann mit dem bekannten Blumenthaler Heimatkundler Ulf Fiedler, der inhaltlich mit zwei Schwerpunkten in die Thematik einführte.  


Als informativen Hintergrund der anschließend vorgesehenen Lesung berichtete er über die Blumenthaler Schriftstellerin Tami Oelfken, die nur ein paar Jahre jünger als de BWK war und mit ihrer Familie direkt an der BWK gewohnt hat. 

So konnte sie in ihrem weitgehend autobiographischen Roman „Maddo Clüver“, der 1940 zunächst unter dem Titel "Tine" erschienen ist, detailliert die sozialen Umbrüche durch die Industrialisierung und das immense Wachstum der BWK schildern, "die wie eine Krake das alte Dorf zu verschlingen drohte" und die Weser mit Abwässern verunreinigte. 

Weil sie in ihrem Roman eine offene Sympathie mit den polnischen Arbeitskräften während er Aufbaujahre der BWK erkennen lässt, wurde der Roman der politisch links stehenden Autorin vermutlich verboten. Hier dürften mögliche Vergleiche mit der Situation der jungen polnischen Zwangsarbeiter in den Kriegsjahren der unmittelbare Anlass gewesen sein, da eine Gleichwertigkeit von Deutschen und Slawen der nationalsozialistischen Rassenideologie widersprach. 

Gleichzeitig mit dem Verbot des Romans „Maddo Clüver“ wurde  Tami Oelfken aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und mit einem lebenslangen Schreibverbot belegt. Hierin sah Ulf Fiedler einen Beleg für den Machtmissbrauch der NSDAP und damit eine sinnvolle thematische Ergänzung der aktuellen Fotoausstellung.

Seinen zweiten Themenschwerpunkt setzte der Heimatforscher bei den Ergebnissen der Betriebsratswahlen, die Einblick in die politische Orienierung und die Stimmung der BWK-Mitarbeiter geben können. Danach standen im März 1933, also bereits nach Hitlers "Machtergreifung", insgesamt fünf Listen zur Wahl. Deutliche Sieger waren die der SPD nahestehenden Freien Gewerkschaften, die 59 % der gültigen Stimmen erhielten. Auf die gemeinsame Liste von NSDAP und Stahlhelm entfielen hingegen nur 17 %. Die Stimmen für die Kommunisten, die in früheren Jahren bei knapp 40 % gelegen hatten, wurden hingegen im Zuge der Verfolgung linker Politiker nach dem Reichstagsbrand für ungültig erklärt. 

Bei der nächsten Wahl konnte die NSDAP dann 1935 nicht mehr verlieren, da es nur eine Einheitsliste gab. Allerdings fand auch sie noch keine große Zustimmung. Danach wurden die Vertrauensräte, die die früheren Betriebsräte ersetzen, nicht mehr von der Belegschaft gewählt, sondern vom Reichstreuhänder der Arbeit ernannt.

Insgesamt erfolgte in der BWK, einer ehemaligen Hochburg sozialdemokratischer und kommunistischer Arbeiter, die Gleichschaltung im Sinne der NS-Ideologie relativ schnell; denn ab November 1933 wurden Hitlerreden regelmäßig per Rundfunk in den Wolllagerschuppen 173 übertragen. Vom Betrieb wurden die Arbeitszeiten speziell auf diese indoktrinierenden "Pflichtveranstalungen" abgestimmt. Dieser rasche politische Wandel erklärt die vielen Bilder mit Nazisymbolen innerhalb der BWK, wie sie die Fotos der Ausstellung zeigten, so vor allem bei den Bildern vom 50. Gründungsjubiläum.


         Christian Weber, Detlef Gorn und Ulf Fiedler (Quelle: Förderverein)

Im Anschluss an diese historische Einführung folgte eine Lesung aus dem bereits angesprochenen Roman "Maddo Clüwer" durch Christine Bongarz, eine bekannte Bremer Vorleserin.



Zum Abschluss der Eröffnungstages wurde ab 15.30 Uhr ein BWK-Film aus dem Jahre 1937 vorgeführt. Damals hatte die Leitung der Bremer Woll-Kämmerei den Auftrag erteilt, der einen kompletten Arbeitstag in dem Unternehmen filmisch zu dokumentieren. So beginnt der Film von Johann Seubert mit dem eindrucksvollen Zug tausender Menschen durch die heutige Landrat-Christians-Straße zum Werktor und einem gellenden Pfiff, der den Arbeitsbeginn signalisiert.

Der Förderverein hat dieses historische Dokument bearbeitet, in dem beispielsweise historische Bilder mit Erklärungen eingefügt wurden, um die jeweilige Position zu zeigen, aus der Johann Seubert gedreht hat. Außerdem wurden Zeitzeugen-Aussagen zur damaligen BWK ergänzt.

Auf diese Weise ist ein in seiner Form wohl einzigartiger Film entstanden, der ein Stück Alltag von vor 77 Jahren vor Augen führt, als die BWK unter dem Hakenkreuz stand.

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